Mit unserer Trainingsgruppe sind wir nicht die Einzigen, die mit der Entwicklung des Wettkampfjudos nicht so glücklich sind, John Brashear von BJJEE.com schreibt dazu:
„There is a growing contingent of Judoka who are dissatisfied with the direction the sport has been moving over the past few decades. They don’t like the elimination of leg grabs, and the growing list of disallowed techniques and behaviors that push competitors to gravitate to a very small set of techniques. They are concerned that Judo’s ultimate effectiveness as a martial art is diminished […] and becomes weak to styles of fighting that focus on wrestling type shots, or ground work based submissions.“
Es gibt eine wachsende Zahl an Judoka, die unzufrieden mit der Entwicklung sind, die der Sport in den letzten Jahrzehnten genommen hat. Sie mögen den Verzicht auf Beingriffe nicht und die wachsende Anzahl an verbotenen Techniken und Griffarten, die Wettkämpfer dazu zwingen mit einem sehr kleinem Technik-Repertoire auszukommen. Die Judoka sind besorgt, dass sich die ursprünglich unbegrenzte Effektivität als Kampfsportart verringert und im Vergleich schwächer wird gegen Kampfstile, die auf Ringen oder Bodenarbeit basieren.
Diese Einschätzung gibt recht genau mein Empfinden wieder, aus diesem Grund trainiere ich seit zwei Jahren wieder gezielt wieder „offener“ und „flexibler“.
Einen passenden Verein und Lehrer zu finden hat etwas länger gedauert, aber der Zufall hilft ja manchmal mit.
Bei „Grappling Grevenbroich“ habe ich genau das gefunden, was ich gesucht habe, zum Beispiel endet unser Randori im Training selten nach dem Wurf, es geht eigentlich grundsätzlich im Boden bis zur Submission weiter, Haltegriffe dienen nur als Übergangslösung bis zum Hebel oder Würger.
Diese Vorgehensweise ermöglicht es uns auch auf Wettkämpfen nach anderen Regelwerken wie z.B. dem „Rulebook“ der IBJJF gut zurecht zu kommen.
Steve Scott in den USA hat dies für seine Judoschule ebenfalls umgesetzt und obendrein ein komplettes neues „Ruleset“ entwickelt, dass dem es dem Judo wieder ermöglicht beinahe alle seine Techniken im Wettkampf zu nutzen.
Das „Ippon“ als Wertung wurde beibehalten, gleichzeitig aber auch ein umfangreicher Bodenkampf samt „Guard-Pull“ ermöglicht.
Es ist eine Mischung aus dem Regelsatz für das Wettkampfjudo aus meiner Jugend und den aktuellen IBJJF-Regeln, garniert mit einigen Änderungen im Detail, die aber absolut Sinn machen.
Nachzulesen unter freestylejudo.org
Wer den Gegner mit Ippon wirft, hat gewonnen, genau wie bisher, auch bei einer Submission ändert sich nichts.
Aber an dem Punktesystem ändert sich einiges:
- Wazari = 4 Punkte
- Yuko = 2 Punkte
- Koka = 1 Punkt
- Sweep = 1 Punkt
- Guard-Pass = 1 Punkt
- Gurad-Pull = wie ein Wurf für den Gegner
- Pin / Haltegriff = Punkte nach Zeit
5 bis 10 Sekunden = 1 Punkt
10 bis 20 Sekunden = 2 Punkte
20 Sekunden = 4 Punkte
Auch für Haltegriffe gibt es nun Punkte, es ist aber im Freestyle-Judo nicht vorgesehen durch einen Haltegriff zu gewinnen. Technisch gewonnen hat derjenige, der einen 12 Punkte Vorsprung erarbeitet hat.
Ich halte das Regelwerk für einen guten Ansatz Judoka wieder in den Boden zu locken, ohne dass der Ippon für einen Wurf abgeschafft wird und gleichzeitig ist das Regelwerk fair genug für Kämpfer mit Grappling-Hintergrund, um an einem solchen offenen Judo-Turnier teilnehmen zu können.
Übrigens bleiben Hebel an Beinen und Füßen wie im „normalen“ Judo-Regelwerk verboten, ebenso „Headlocks“. Ob Handgelenkshebel erlaubt sind, konnte ich nicht heraus finden, ich gehe aber davon aus, dass diese ebenfalls untersagt sind.
Die Punktevergabe über ein Zeitintervall für die Haltegriffe empfinde ich spontan als zu aufwendig, ich würde eine feste Punktzahl für ein „Osaekomi“ vorziehen, unabhängig von der Zeit, so wie man im BJJ Punkte für „Mount“, „Knee-on-Belly“ und „Backmount“ erhält. Davon abgesehen finde ich das Regelwerk vielversprechend, vielleicht sieht die IJF ja irgendwann auch wieder so.
Es ist gut zu wissen, dass es dort draußen noch mehr Judoka wie uns gibt.
Der Youtube-Kanal von Steve Scott (Welcome Mat Judo Club in Kansas City Missouri) ist übrigens eine absolute Empfehlung von mir persönlich, es lohnt sich hier einen Blick zu riskieren.